„Stellen wir uns vor, wir müssten einige Kilometer über eine schnurgerade, ebene, hindernisfreie Betonbahn gehen. Am Ende der Strecke werden wir ermattet sein. Wie anders wird es uns bei einer Wanderung durch einen Wald ergehen! Da sind verschlungene Pfade. Es geht über Stock und Stein. Wurzeln, Moos, dichtes Gebüsch, Rinnsale. Das Licht ist dämmrig. Du musst ganz Auge, ganz Ohr sein. Ganz Nase. Es duftet nach Waldkräutern und Waldboden. Seltsame Geräusche von überall her. Vogelstimmen. Am Ende des Weges sind wir erfrischt, fast wie neugeboren. Was war geschehen? Im Walde war ich mit Körper, Seele und allen Sinnen voll beansprucht, überall kleine, mit Hindernissen verbundene Wagnisse. Auf der risikolosen Betonbahn forderte mich nichts heraus. Ich hatte nichts zu bestehen. Ich war sozusagen überflüssig. Das ist es, was uns kaputt macht: Die Unterschlagung unserer Fähigkeiten. Wo kein Wagnis, da kein Gewinn, wo kein Spiel, da kein Leben.“
(Hugo Kükelhaus)
Der Postillion e.V. betreibt „reine“ Wald- und Naturkindergärten in ihrer ursprünglichen Form - ein eigenes Kita-Gebäude existiert nicht. Das Angebot umfasst unterschiedliche Betreuungszeiten bis hin zu Ganztagesnaturkitas. Die Kinder spielen bei Wind und Wetter an der frischen Luft. Dies ermöglicht es ihnen, den jahreszeitlichen Rhythmus direkt wahrzunehmen. In einer Naturkita ist der Bewegungs- und Aktionsraum bedeutend größer als in geschlossenen Räumen. Folglich kann der natürliche Spiel- und Bewegungsdrang, den Kinder in diesem Alter haben, ungehindert ausgelebt werden. Der Wald bietet viel Platz zum Tanzen, Laufen, Springen, Spielen, Verstecken, Matschen u.v.m. Aber nicht nur die Grobmotorik kann besser entwickelt werden, auch die Bildung feinmotorischer Fähigkeiten kommt durch viele Aktionen wie zum Beispiel Schnitzen, Gestaltung von Kunstwerken oder der Verarbeitung von Beeren, Kräutern, etc. nicht zu kurz.
Die natürliche Umgebung trägt maßgeblich zum körperlichen und seelischen Wohlbefinden der Kinder bei. Das Immunsystem wird durch den Aufenthalt an der frischen Luft gestärkt. Naturkita-Kinder erkranken seltener an Erkältungen als im Hauskindergarten. Durch die Weite des Raumes können aufgestaute Aggressionen besser abgebaut werden bzw. kommen teilweise erst gar nicht zustande, da für alle ausreichend Platz zum Entfalten ist. Die Kinder entwickeln ein positives Verhältnis zur Natur, sie erfahren den Wald und die Umgebung als etwas einmaliges, dass es besonders zu schützen gilt. Hier wird bereits der Grundstein gelegt für einen verantwortungsbewussten Umgang in und mit der Natur im Erwachsenenalter.
In der Naturkita ist die Lärmbelastung geringer als in Gebäuden - und damit ist auch der Stress für die Kinder deutlich weniger. Beim Umgang mit Spielzeug liegt ein diametraler Unterschied vor. Abgesehen von einigen wenigen Werkzeugen wird zum großen Teil auf vorgefertigtes Spielzeug verzichtet. Dies unterstützt bei den Kindergartenkindern in hohem Maße die Sprachentwicklung, da die Kinder bei der „Deutung“ der Naturmaterialien als Spielsachen auf die verbale Kommunikation mit den anderen Kindern angewiesen sind. Im Wald gibt es keine reizüberfluteten Spielbereiche. Die Kinder „spielen mit Wurzeln und Stöcken statt mit Puppen und Legosteinen“. Dieses Verhalten fördert die Selbständigkeit, die Kreativität und vor allem die Phantasie der Kinder. Die Naturkitas haben ein bis zwei 11m lange Bauwagen, in die sich die Gruppe bei plötzlichen Wetterumschwüngen oder widrigen Witterungsverhältnissen wie z.B. starkem Regen zurückziehen kann. Im Bauwagen wird auch gegessen und bei Ganztageseinrichtungen ausgeruht. Die Kinder des Naturhortes machen außerdem ihre Hausaufgaben dort.
Die Anforderungen an den Bauwagen sind hoch, man benötigt für sie eine Baugenehmigung. Brandschutz, Sicherheit des Ofens, Toilette etc. sind wichtige Genehmigungsvoraussetzungen.