Bundesmodellprojekt Jugendbeteiligung in Schönau 2023

Aufgrund der guten Ergebnisse des Vorgängermodells „Jugendliche Mobilität im ländlichen Raum“ im Nachbarort Wilhelmsfeld und der Ergebnisse der jährlichen Befragungen von Jugendlichen durch die mobile Jugendarbeit vor Ort in der das Thema Mobilität eine große Rolle spielte und die Jugendarbeit durch die eine Neubesetzung der Stelle, sowie den Folgen der Coronamaßnahmen neu ausgerichtet werden musste, entschied sich die Stadt Schönau für das Bundesmodellprojekt: Das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit.

Vergegenwärtigt man sich vor diesem skizzierten Hintergrund die Topografie des Ortes, wird schnell deutlich, dass eine innerörtliche Mobilität extrem bedeutsam ist. Mit anderen Worten: alle Menschen, die nicht über einen eigenen Pkw verfügen, stehen hier vor echten Herausforderungen. Die Stadt Schönau verfügt über keine weiterführenden Schulen. Das heißt ab der fünften Klasse müssen alle Schüler entweder nach Hirschberg, Heidelberg oder Schriesheim fahren. Nachvollziehbarerweise sind sie dafür auf den ÖPNV angewiesen. Doch auch im Freizeitbereich werden Fahrten nach Heidelberg, Mannheim oder Eberbach unternommen. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass Jugendlichen in allen Facetten ihres Lebens, auf einen funktionierenden, ihre Bedürfnisse berücksichtigenden ÖPNV angewiesen sind.
Hier kam die Ausschreibung „Das Zukunftspaket“ zur rechten Zeit, um ein neues Projekt mithilfe von Jugendlichen ins Leben zu rufen. Innerhalb des Projektes wurde ein Zukunftsausschuss ins Leben gerufen, dies Mitglieder bestehen aus Jugendlichen, dem Bürgermeister und weiteren Akteuren innerhalb des Rathauses. Hier erhielten die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre Themen vorzubringen, zu diskutieren und schlussendlich auch umzusetzen.
Der Zukunftsausschuss ist ein Mittel, welches auch über das Projekt hinaus Bestand hat um die Beteiligung von Jugendlichen in politischen Themen und im Gemeinwesen zu sichern.

Die Befragung von Jugendliche durch Jugendliche

Methodisch wurde wie folgt vorgegangen: Zunächst führten zwei Jugendliche aus dem Vorgängerprojekt aus Wilhelmsfeld narrative Interviews mit den Jugendlichen, die auf Tonband aufgezeichnet wurden, durch.
Anschließend wurden die Aufnahmen in kleinen Auswertungsrunden wiederholt abgehört, um die zentralen Themen entsprechend herauszuarbeiten. In vorherigen vergleichbaren Projekten wurde mit Gruppendiskussionen bzw. Fragebögen gearbeitet. Beide Methoden haben den Nachteil, dass öfters sozial erwünschte Antworten gegeben und die Jugendliche weniger zum eigenen Nachdenken angeregt werden. Es ging bei den narrativen Interviews vor allem darum, möglichst viel über das Mobilitätsverhalten der Jugendlichen zu erfahren. Ihnen wurde auch die Möglichkeit gegeben, Wünsche bzw. Verbesserungsvorschläge zu äußern.
Nach der Auswertung der Audiodateien entstand ein Mobilitätskonzept, das bei einem Folgetermin nochmals mit interessierten Jugendlichen besprochen wurde.

Schreibwerkstätten als Form der Beteiligung

Schreibwerkstätten mit der Kinderbuchautorin Anja Tuckermann bewährten sich bereits bei vielen vorhergehenden Projekten. Daraus entstanden auch einige Publikationen. In Schönau wurden Viertklässler gezielt im Rahmen von Schreibwerkstätten dazu ermuntert, sich mit dem Thema Mobilität auseinanderzusetzen. Dabei entstanden Fotos und kleine Geschichten, die sich um Beteiligung und Mobilität drehten.
Der Einsatz von Schreibwerkstätten im Kontext von Mobilitätsbeteiligung war Neuland. Eine Durchführung erfolgte an den beiden Grundschulen. Deutlich wurde, dass sich das Thema Mobilität bei Viertklässlern im Wesentlichen auf den Fahrradverkehr konzentrierte. Von den Kindern selbst kamen keine großen Mobilitätsthemen.
Abgesehen davon wurden die Kinder auf das Projekt aufmerksam, was dazu führte, dass bei den Zukunftsausschüssen etwa 20 Grundschüler aktiv mitwirkten. Ihr Fokus lag dabei in erster Linie auf dem Thema Platzgestaltung, das für diese Altersgruppe von größerer Relevanz war als die Mobilität. Damit werden sie sich voraussichtlich erst stärker beschäftigen, sobald sie auf weiterführende Schulen gehen.
Aus diesen Schreibwerkstätten heraus ist die Idee geboren, in Schönau einen Bewegungsplatz zu schaffen. Die Umsetzung dessen wäre ein vorzeigbares und dauerhaft etabliertes Ergebnis dieses Modellprojekts.

Zukunftswerkstatt als Form der Beteiligung

Durch die Corona-Beschränkungen sind der mobilen Jugendarbeit in Schönau, inklusive dem Jugendtreff, Jugendliche weggefallen. Eine Generation von Jugendlichen konnte so erstmal nicht gefunden werden. Mit einer Zukunftswerkstatt war daher die Hoffnung verbunden, erneut möglichst viele Jugendliche anzusprechen, um mit ihnen gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie die Jugendarbeit in Schönau künftig neu gedacht werden kann. Die Zukunftswerkstatt war somit ein Versuch, auf die veränderten Bedingungen bzw. Anforderungen zu reagieren. Allerdings ist es wichtig, darauf zu achten, dass Jugendliche nicht einfach nur Wünsche äußern, was eher eine Konsumhaltung befördert. Tatsächlich geht es darum, die Bedarfe von Jugendlichen herauszuarbeiten, damit sie diese dann im Rahmen einer echten Beteiligung gemeinsam mit den Hauptamtlichen der mobilen Jugendarbeit bzw. Vereinen entsprechend umsetzen können.

Teilnahme an Jugendleiterlehrgängen

Es war wichtig, die Jugendbeteiligung aktiv zu gestalten. Das heißt, es war wichtig, Kinder und Jugendliche zu motivieren, sich ins Gemeinwesen einbringen zu wollen, um für sich und andere an einer Verbesserung der Lebenssituation mitzuwirken. Dazu gehört auch, dass Orte geschaffen werden, an denen sich Jugendliche treffen können. Idealerweise werden diese von ihnen selbst organisiert, was ihnen dabei hilft, zu lernen, Verantwortung zu übernehmen. Ziel war es, ältere Jugendliche in Schönau zu finden, die die Verantwortung für entsprechende Räume übernehmen wollen. Vorerst erklärten sich zwei engagierte Jugendliche dazu bereit. Damit konnte hoffentlich eine Entwicklung initiiert werden, die dazu führt, dass sich im Lauf der Zeit weitere Jugendliche finden, die diese Aufgaben übernehmen wollen, um langfristig ein Stammteam zu bilden.

Abschluss und Blick in die Zukunft

Das Projekt wurde im Rahmen einer Abschlussveranstaltung abgeschlossen. Hier wurden die Projektergebnisse nochmals vorgestellt, besprochen und Konsequenzen aus dem Projekt gezogen. Es war zudem wichtig zu klären, ob es noch offene Themen bezüglich des aus dem Projekt entstandenen Mobilitätskonzeptes gibt, damit diese im nächsten Jahr angegangen werden können.
Die Impulse der Jugendlichen zum Thema Mobilität konnten durch das Zuschussprogramm gut aufgegriffen werden, sodass durchaus vorzeigbare Ergebnisse erzielt wurden. Allerdings muss auch gesagt werden, dass im gesamten Bereich des ÖPNVs während der Projektlaufzeit keine für die Jugendlichen ersichtlichen Konsequenzen erfolgten. Das heißt beispielsweise, dass nicht mehr Busse fuhren oder der Fahrplan geändert wurde. Dies war allerdings auch nicht zu erwarten, wie vergleichbare Projekte bereits vorher zeigten. Die Beteiligungsformate, die eher langfristiger und abstrakter sind, wie zum Beispiel die Zukunftswerkstatt erwiesen sich als nicht so tragfähig. Erfolgversprechender waren eher die kleinen Projekte, die direkt an den Bedürfnissen der Jugendlichen ansetzten, wie zum Beispiel der konkreten Gestaltung von bestimmten Plätzen.

Deutlich wurde auch, dass ein solches Projekt vor allem dann besonders wirksam ist, wenn es bestimmte Vorarbeiten gibt, die zu dem entsprechenden Zuschussprogramm passen. In diesem Fall war es das schon seit zwei Jahren artikulierte Bedürfnis nach einer Verbesserung der Mobilitätssituation. Hier war es von Vorteil, dass der Postillion e.V. aufgrund des vom Bundesministeriums für ländlichen Raum geförderten Bundesmodellprojekts bereits Erfahrungen mit der Jugendbeteiligung am ÖPNV gesammelt hatte. Daher konnte auch dieses Projekt sehr gezielt durchgeführt werden. Das Projekt sowie die dort entwickelten Methoden können im aus dem Projekt entstandenen Buch: Jugendliche gestalten den ÖPNV, bei Interesse nachgelesen werden.

Im Rahmen der Projektlaufzeit wurde allerdings auch deutlich, dass Projekte, die länger als ein Jahr laufen, in der Regel zu effektiveren Ergebnissen führen. Wenn mehr Zeit zur Verfügung steht, können sich die Planungsphase, die Durchführungsphase und die Evaluation der Nachhaltigkeit besser entfalten.

Dennoch gibt es für das Projekt insgesamt eine positive Resonanz. Die Erkenntnisse werden sich auf die Stadt Schönau und ihre Nachbarkommunen auswirken. Dies liegt auch daran, dass der Gemeinderat bzw. die Verwaltung frühzeitig eingebunden wurden. Dadurch konnten viele Prozesse beschleunigt werden.

Die Idee eines Zukunftsausschusses getragen von Gemeinderäten und Jugendlichen in Verbindung mit dem Jugendbeirat hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen. Die Stadt Schönau wird diesen Zukunftsausschuss weiterhin beibehalten, um Themen, die Jugendliche in Schönau betreffen, zu begleiten. Dies betrifft vor allem die noch offenen Aufgaben, die jetzt im Bereich der Mobilität durch das Projekt aufgeworfen worden sind.

Dennoch konnten die Jugendlichen bei der Planung eines zukunftsfähigen ÖPNVs wesentlich mitwirken. Daher ist es wichtig, auch in den kommenden Jahren an diesem Konzept weiterzuarbeiten. Die Mitgestaltungsmöglichkeit am ÖPNV bedeutet für Jugendliche ein echtes Erleben von Demokratie innerhalb eines Gemeinwesens.

Zurück zur Übersicht